Elternrat im Landratsamt Günzburg – Gemeinsam für Inklusion
Am Freitag, den 8. November 2024, kamen 40 Eltern von Kindern mit körperlichen, geistigen oder seelischen Einschränkungen im Sitzungssaal des Landratsamtes Günzburg zusammen, um beim ersten Elternrat über Herausforderungen, Wünsche und mögliche Lösungsansätze zu sprechen. Die Verfahrenslotsinnen Martina Brandl-Müller und Kati Huber organisierten die Veranstaltung, die sowohl als Forum für den Austausch als auch zur Entwicklung konkreter Ideen für die Themen der Eltern diente.
Die hohe Beteiligung und das positive Feedback seitens der Eltern unterstrichen die Dringlichkeit, sich diesen Themen zu widmen. Ein besonderer Fokus lag auf dem Abbau von bürokratischen Hürden, der Verbesserung von Unterstützungsangeboten und der Schaffung eines Netzwerks für betroffene Familien.
Bürokratie: Eine große Hürde
Ein häufig genannter Punkt war der Umgang mit Behörden. Eltern berichteten, dass sie oft selbst recherchieren müssten, welche Hilfen ihnen zustehen, da die Informationen unzureichend oder schwer zugänglich seien. Die langwierigen und bürokratischen Antragsprozesse stellten eine große Belastung dar.
„Es fühlt sich an, als wären wir in einer ständigen Bittsteller-Rolle“, schilderte eine Mutter. Besonders frustrierend sei, dass oft immer wieder neue Gutachten oder Dokumente gefordert würden, selbst wenn eine Diagnose längst bekannt sei. Diese Prozesse seien nicht nur zeitaufwendig, sondern auch emotional belastend, da die Fähigkeiten und Verhaltensweisen der Kinder in Anträgen oft nur negativ dargestellt werden müssten, um Unterstützung zu erhalten.
Positiv hervorgehoben wurde jedoch die Unterstützung durch das Kreisjugendamt sowie die erfolgreiche Vermittlung von Arbeitsplätzen durch Integrationsdienste. Vielfach geäußert war der Wunsch nach klar definierten Ansprechpartnern, weniger bürokratischen Hürden und einem verständlicheren Informationsfluss.
Herausforderungen im Alltag
Viele Eltern betonten die hohe Belastung im Alltag und das Fehlen von Freizeitangeboten für Kinder mit Behinderungen. Diese Lücke führe häufig zu sozialer Isolation der gesamten Familie, da auch Geschwisterkinder auch hier zurückstecken müssten.
„Freizeit bedeutet für uns meist Therapie oder den Kampf um notwendige Leistungen“, erklärte eine betroffene Mutter. Es wurde darauf hingewiesen, dass Kinder mit Behinderungen in Sportvereinen oder inklusiven Freizeitangeboten meist keinen Platz finden, weil die Angebote entweder nicht vorhanden oder die Anforderungen zu hoch seien.
Große Zustimmung fanden Vorschläge wie spezielle Freizeitprogramme, Selbsthilfegruppen für Eltern und Geschwister sowie niedrigschwellige Betreuungsangebote, die Paarzeit und Erholung ermöglichen. Positiv hervorgehoben wurde die Ferienfreizeit des VDK Bayern, an der einige Kinder regelmäßig teilnehmen.
Betreuung und Schule: Licht und Schatten
Auch die schulische Inklusion war ein zentrales Thema. Eltern berichteten von positiven Erfahrungen mit engagierten Lehrkräften und gut funktionierenden Kooperationen, etwa mit Einrichtungen wie dem Dominikus-Ringeisen-Werk oder der Lebenshilfe. Besonders die enge Zusammenarbeit zwischen Schulen und Schulbegleitungen wurde gelobt.
Gleichzeitig zeigten sich viele Schwierigkeiten: Der Zugang zu Schulbegleitungen sei langwierig, und viele Regelschulen hätten wenig Kapazitäten, Kinder mit besonderen Bedürfnissen zu integrieren. Es fehle häufig an qualifiziertem Personal und Aufklärung, insbesondere zu Themen wie Autismus oder ADHS.
Ein weiteres Problem ist der Transport zur Schule, der oft von den Eltern selbst organisiert werden müsse, da es an passenden Bustransfers mangele. Einige Eltern forderten zudem bessere Informationen über Nachteilsausgleiche und Unterstützungsangebote.
Wünsche für die Zukunft
Die Eltern formulierten klare Forderungen:
- Abbau bürokratischer Hürden und klarere Zuständigkeiten.
- Freizeitangebote für Kinder mit Behinderungen und ihre Geschwister, um Isolation zu vermeiden.
- Regelmäßige Gesprächsrunden und Netzwerke wie ein „Elterncafé“, um sich auszutauschen und gegenseitig zu unterstützen.
- Bessere Schulung von Lehrkräften und Behördenmitarbeitern zu Themen wie Autismus und Neurodivergenz.
- Mehr Aufklärung in der Gesellschaft, um Vorurteile abzubauen.
Fazit und Ausblick
Die Ergebnisse des Elternrats zeigten, wie wichtig der Austausch und die Zusammenarbeit zwischen Eltern und den zuständigen Stellen sind. Martina Brandl-Müller und Kati Huber kündigten an, die gesammelten Erkenntnisse an die relevanten Fachstellen weiterzuleiten und sich aktiv für die Umsetzung der genannten Forderungen einzusetzen.
„Es ist ein großer Schritt, gemeinsam mit den Eltern Prioritäten zu setzen und an strukturellen Verbesserungen zu arbeiten“, betonte das Organisationsteam. Ein weiterer Elternrat ist bereits in Planung, um den Dialog fortzusetzen und Fortschritte zu überprüfen.
Für Fragen oder weitere Informationen steht das Team der Verfahrenslotsen des Landkreises Günzburg unter verfahrenslotse@landkreis-guenzburg.de oder 08221 95886 gerne zur Verfügung.